10.20364/VA-18.05
Versorgungsprofile der Multiplen Sklerose im vertragsärztlichen Sektor
Patterns of ambulatory health care utilization in patients with Mutiple Sclerosis
Holstiege, Jakob
Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi)
Steffen, Annika
Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi)
Akmatov, Manas K.
Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi)
Bätzing, Jörg
Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi)
Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi)
2018
Ambulante Versorgung
Inanspruchnahme
Komorbidität
MS
Multiple Sklerose
Versorgungsprofil
vertragsärztliche Versorgung
05.07.2018
10.20364/VA-17.09
Hintergrund: Multiple Sklerose (MS) kann mit einem breiten Spektrum an schwerwiegenden psychischen und somatischen Begleit- und Folgeerkrankungen einhergehen. Aus der Notwendigkeit einer intensiven und interdisziplinären Betreuung der Betroffenen ergeben sich hohe Anforderungen an eine bedarfsgerechte Ausgestaltung der medizinischen Versorgung. Ziel dieser Untersuchung war die Analyse der vertragsärztlichen MS-Versorgung in Deutschland unter Berücksichtigung der Behandlungsursachen, der beteiligten Arztgruppen und der zeitlichen Veränderungen der Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen. Methodik: Als Datengrundlage dienten die bundesweiten vertragsärztlichen Abrechnungsdaten. Die Studienpopulation bildeten Patienten mit gesicherter ambulanter MS-Diagnose im Jahr 2015 und mindestens einer Folgediagnose in den drei Folgequartalen. Behandlungsanlässe und Inanspruchnahmemuster der vertragsärztlichen Versorgung bei MS-Patienten wurden im Rahmen einer Gegenüberstellung mit nach Alter, Geschlecht und KV-Bereich gematchten Vergleichspatienten ohne MS-Erkrankung untersucht. In einem Subkollektiv prävalenter MS-Patienten (N = 142.203), das bereits im Jahr 2010 die Falldefinition erfüllte, erfolgte die Analyse zeitlicher Veränderungen bei vertragsärztlichen Kontakten über einen Gesamtzeitraum von sechs Jahren (2010 bis 2015). Zeitliche Trends der jährlichen Anteile an Patienten mit mindestens einem ärztlichen Kontakt (Inanspruchnahmequote) wurden pro Fachgruppe mittels Cochrane-Armitage-Test untersucht. Ergebnisse/Schlussfolgerung: Insgesamt wiesen MS-Patienten im Jahr 2015 bei sieben von elf übergeordneten Fachgruppen eine statistisch signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit von über 10 % für die Inanspruchnahme in mindestens einem Quartal gegenüber Vergleichspatienten auf. Mit einer fast siebenfach höheren Inanspruchnahmequote fanden sich die deutlichsten relativen Unterschiede in der Neurologie (MS: 72 % vs. Vergleichspatienten: 11 %) gefolgt von der Urologie (20 % vs. 8 %) und psychiatrisch oder psychotherapeutisch tätigen Leistungserbringern (13 % vs. 7 %). Die jährlichen Inanspruchnahmequoten unter MS-Patienten blieben über den sechsjährigen Untersuchungszeitraum in Bezug auf die überwiegende Mehrheit der Arztgruppen weitgehend stabil, wobei die Werte für Urologen (+21 %, p < 0,0001) und fachärztlich-internistisch tätige Mediziner (+10 %, p < 0,0001) im Zeitverlauf die deutlichsten Zunahmen zeigten. MS-Patienten wiesen gegenüber Vergleichspatienten insbesondere erhöhte Wahrscheinlichkeiten für Lähmungen der Extremitäten, für Erkrankungen der Harnblase (unter anderem neuromuskuläre Dysfunktionen) und der Psyche auf. Dies ist die erste deutschlandweite umfassende Analyse des Versorgungsprofils der MS im vertragsärztlichen Sektor. Die hier beobachteten Inanspruchnahmemuster von MS-Erkrankten veranschaulichen einen dauerhaft erhöhten ambulanten multidisziplinären Versorgungsbedarf. Aktuelle Zahlen zu Intensität und Diversität der Inanspruchnahme der ambulanten Versorgung durch MS-Patienten und diesbezüglicher Veränderung im Zeitverlauf können eine wichtige Grundlage für die informierte und bedarfsgerechte Ausgestaltung der kostenintensiven medizinischen Versorgung der Betroffenen spielen.